Informationen für Kollegen/-innen

Was kann ich tun, wenn ich bei Kollegen/-innen ein problematisches Suchtverhalten bemerke?

Arbeitsverhalten

  • Häufige kurze nicht arbeitsbedingte Abwesenheit während der Arbeitszeit, Pausenüberziehung, Unpünktlichkeit usw.
  • Häufige Kurzerkrankungen/Fehltage ohne ärztlichen Nachweis
  • Kurzfristige Kurzurlaube, Gleitzeitnahme ohne Voranmeldung
  • Sich wiederholende/unglaubwürdige Erklärungen/Entschuldigungen durch Dritte
  • (Zunehmende) Unzuverlässigkeit, nachlassende Arbeitsleistung
  • Starke und oft unerklärliche Leistungsschwankungen, vermehrte Fehler
  • Konzentrationsstörungen
  • Kontaktvermeidung mit Vorgesetzten

Persönlichkeit

  • (Extreme) Stimmungsschwankungen (z.B. reizbar, nervös, nicht ansprechbar etc.)
  • Überreaktion auf (vermeintliche) Kritik oder überangepasst
  • Zunehmender Rückzug, Isolation

Körperliche Veränderungen

  • Aufgedunsenes Aussehen mit geröteter Gesichtshaut, glasige Augen
  • Zittern der Hände, Schweißausbrüche
  • Vernachlässigung äußerer Erscheinung oder übermäßig geschminkt und betontes Achten auf Äußeres
  • Gleichgewichtstörungen oder überkontrolliertes Gehen
  • Artikulationsschwierigkeiten (z.B. Lallen), verlängerte Reaktionszeit

Trinkverhalten

  • Alkoholkonsum bei (unpassenden) Trinkgelegenheiten
  • Viel Alkohol bei feierlichen Anlässen
  • Hastiges Trinken, „heimliches“ Trinken
  • Häufige Alkoholfahne und/oder Versuch, diese mit Mundwasser, viel Parfum, Kaugummi o. Ä. zu überdecken
  • Demonstrative Vermeidung von Alkohol

Stellen Sie eine oder einige dieser Verhaltensänderungen fest, bedeutet es immer noch nicht, dass die Person ein Suchtproblem hat. Dennoch sollten Sie frühzeitig ein vertrauliches Gespräch führen, denn je länger Sie bei Auffälligkeiten warten und nicht reagieren, desto geringer sind die Aussichten auf eine Verbesserung.

Verantwortung abgeben statt Fehlverhalten zu decken

Kollegen/-innen helfen Betroffenen nicht, indem sie ihnen Arbeit abnehmen oder Fehlverhalten decken. Es ist wichtig, dass Betroffene selbst Verantwortung für ihr Verhalten tragen. Suchen Sie das direkte Gespräch. Vorwürfe bringen nichts. Die Sorge und Beobachtungen sollten im Mittelpunkt stehen.

Beratung und Unterstützung suchen

Ein Gespräch mit Experten oder Vertrauten über die belastende Situation hilft. Wenden Sie sich an interne oder externe Beratungsstellen oder andere Vertrauenspersonen.

Seien Sie sich über Ihre Rolle im Klaren

Vor Ihrem Gespräch sollten Sie für sich klären, wie Sie zu dem Betroffenen stehen. Wenn Sie ein freundschaftliches Verhältnis haben, wird das Gespräch anders ablaufen, als wenn Sie nur auf beruflicher Ebene miteinander zu tun haben und sich vielleicht sogar distanziert gegenüberstehen.

  • Wenn Sie miteinander befreundet sind, bringen Sie Ihre Sorgen zum Ausdruck. Beschreiben Sie, was Sie bemerkt haben und warum Sie das Suchtverhalten Ihrer/Ihres Kollegen/-in problematisch finden. Gehen Sie auch darauf ein, dass dies nicht nur der Gesundheit schadet und die Arbeit beeinträchtigt, sondern auch das bisher gute persönliche Verhältnis stört, möglicherweise sogar gefährdet. Unter Freunden müssen offene Worte möglich sein: Sagen Sie, was Sie erwarten und was Sie sich wünschen.
  • Wenn Sie ausschließlich beruflich miteinander zu tun haben, liegt der Schwerpunkt Ihres Gesprächs auf Schwierigkeiten in der Arbeitsbeziehung. Das problematische Suchtverhalten Ihrer/Ihres Kollegen/-in stört das Betriebsklima, sorgt für schlechte Stimmung und vielleicht auch manchmal für Konflikte. Machen Sie deutlich, dass Sie dies nicht (mehr) hinnehmen werden. Wenn Sie immer wieder Fehler ausgleichen müssen, die Ihre/Ihr Kollege/-in verursacht hat oder wenn Sie aufgrund seiner häufigen Fehlzeiten einspringen müssen, leidet unter Umständen auch Ihre eigene Arbeit. Sagen Sie ganz klar, dass Sie nicht bereit sind, die Probleme Ihrer/Ihres Kollegen/-in (weiterhin) auszubaden oder gar zu decken.

Für das Gespräch empfiehlt sich folgende Struktur

  1. Bereiten Sie sich gut auf das Gespräch vor:
    • Was ist mein Grund, das Gespräch mit der betroffenen Person zu suchen? (z.B. eigene zunehmende Arbeitsbelastung)
    • Welches ist ein (realistisches) Ziel für das Gespräch? (z.B. lediglich aufzuzeigen, dass ein verändertes Verhalten auffällt)
    • An welchen konkreten Erlebnissen oder Situationen mache ich meine Wahrnehmung fest? (z.B. Unzuverlässigkeit bei bestimmten Aufgaben)
    • Möchte ich der betroffenen Person Hilfe anbieten? Was könnte das sein? (z.B. Verweis auf Beratungsstellen)
  1. Schaffen Sie eine angemessene Atmosphäre:
    • 4-Augen-Gespräch in einem geschützten Raum mit einer Tür, die man schließen kann
    • Keine Störungen oder Unterbrechungen
    • Ausreichend Zeit einplanen
  1. Kommen Sie schnell zur Sache und sagen Sie sachlich und neutral worum es geht. Reden Sie nicht lange „drum herum“.
  2. Sprechen Sie aus Ihrer Perspektive. Nutzen Sie „Ich-Botschaften“, um Ihr Anliegen zu verdeutlichen: „Ich mache mir Sorgen“, „Ich sehe Veränderungsbedarf“, „Mir ist wichtig…“. So vermeiden Sie, dass Ihre Worte als Kritik oder Vorwurf gleich abgelehnt werden.
  3. Umgang mit möglichen Reaktionen:
    Betroffene reagieren sehr unterschiedlich, wenn sie auf Suchtprobleme angesprochen werden. Bereiten Sie sich gedanklich auf mögliche Reaktionen vor. Wenn das Gespräch eskaliert, brechen Sie es ab und holen Sie sich z.B. Unterstützung bei internen oder externen Beratungsstellen.

Diese Fehler sollten unbedingt vermieden werden…

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Suchtprobleme anzusprechen, ist ein heikles Thema. Das gilt sowohl für Gespräche mit befreundeten Kollegen/-innen, als auch bei rein beruflichen Beziehungen.

1. Diagnose stellen

Medizinische Diagnosen stellen Ärzte und andere Fachleute. Am Arbeitsplatz sind weder die Vorgesetzten, noch die Personalabteilung oder die Kolleginnen und Kollegen ausreichend qualifiziert, um eine Abhängigkeit oder einen Missbrauch zu diagnostizieren. Sprechen Sie stattdessen den riskanten Konsum bzw. das suchtbedingte Verhalten und mögliche Gefährdung an.

2. Medizinische Tipps geben

Auch Tipps zu Behandlungsansätzen oder Therapieinhalten gehören nicht in ein Gespräch unter Kollegen. Medizinische Ratschläge sollten immer von Fachleuten kommen.

3. Vorwürfe, Belehrungen, Bewertungen, Unterstellungen, Anweisungen

Im Gespräch sind diese Ansagen und Wertungen nicht hilfreich. Mit solchen Gesprächsansätzen vermitteln Sie nicht den Eindruck, dass Sie gemeinsame Ziele verfolgen.

4. Panik: „Du wirst abhängig, es wird alles immer schlimmer

Wahrscheinlich wissen Sie nicht genau, wie verfestigt und vorangeschritten die Sucht Ihrer/Ihres Kollegen/-in wirklich ist. Sprechen Sie sachlich nur über das, was Ihnen auffällt, was Sie beobachten und was Ihnen Sorgen macht.

5. Eine falsche Rolle einnehmen

Sie sind in dieser Situation kein „Funktionsträger“ wie etwa Vorgesetzte oder Mitglieder der Personalvertretung. Sie führen das Gespräch als Kollege/-in und nur in dieser Funktion. Nehmen Sie keine andere Rolle ein.

  • Wenn Sie bemerken, dass Ihre/Ihr Kollege/-in unter akutem Suchtmitteleinfluss (z.B. Alkohol oder Drogen) steht, sind Sie im Sinne der Arbeitssicherheit verpflichtet, Ihren Arbeitgeber oder Vorgesetzten unmittelbar zu informieren (siehe Arbeitsschutzgesetz § 16). Denn akuter Suchtmitteleinfluss bedeutet für jeden Arbeitsplatz eine erhöhte Unfallgefahr. Häufig zögern Kollegen/-innen aber zu lange, das Thema anzusprechen und wollen den Betroffenen nicht „anschwärzen“.
  • Wenn das Gespräch mit der betroffenen Person nichts bewirkt hat, sollte der direkte Vorgesetzte angesprochen werden. Die vermuteten Suchtprobleme der betroffenen Person müssen nicht Thema sein, sondern der Bezug auf das Arbeitsverhalten und die Leistung. Die eigene aktuelle Arbeitssituation und Bedürfnisse sollten in den Vordergrund gestellt werden.

Quelle: DHS | Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., u.a. Alkohol am Arbeitsplatz, Hinweise für das Gespräch unter Kolleginnen und Kollegen

Sucht am Arbeitsplatz